Montag, 19. Dezember 2011

Entwicklungsstufen des Traders - Phase 3: der Bachelor/Geselle

Trader, die bis hierher gekommen sind und damit die Stufe 3 erklommen haben, haben gute Chancen, sich weiter zu entwickeln und irgendwann zu den lediglich 5 bis 10 % zu gehören, die an der Börse Gewinn machen. Diese geringe Zahl ist erschreckend, nicht wahr?

Die Bachelor-Trader verfügen jetzt über ein gefestigtes theoretisches Wissen, können Chartformationen interpretieren und sind in der Lage, sich im Markt schnell einen Überblick zu verschaffen. Sie kennen inzwischen mehr als die Standards, haben schon von Point & Figure-Charts und Heikin-Ashi-Kerzen gehört. Der Bachelor arbeitet mit seinen bevorzugten Indikatoren und Charteinstellungen. Er hat inzwischen begriffen, dass zwei bis drei Indikatoren absolut ausreichend sind.

Er kennt alle Emotionen: die Angst, die Gier, den Frust, das Glück.

Allerdings hat der Bachelor gerade zu Beginn der dritten Phase ein wesentliches Problem: er weiß zwar theoretisch, wie es geht, macht aber immer noch mehr Verluste als Gewinne. So langsam dämmert ihm aber, dass der Fehler vor der Tastatur sitzt. Sein System ist in Ordnung, aber er traut ihm noch nicht. Er geht zu zeitig aus den Gewinntrades oder zu spät aus den Verlusttrades (siehe auch Jäger und Sammler im Gastkommentar zur Phase 1). Er hat Angst, auf einen Trend aufzuspringen, denn zu oft hat er erlebt, dass der Markt gerade dann dreht. Er misstraut seinem eigenen Urteil, wenn er sich entscheiden soll. Und wenn der Markt weiter läuft sieht er, dass er Recht gehabt hat. Aber er ist nicht dabei. Er hat auch begriffen, dass es wichtig ist zu erkennen, wann man NICHT einsteigen sollte.

Jetzt sucht er nach Möglichkeiten, an sich selbst zu arbeiten. Er trainiert das „im Trade bleiben“. Er verschiebt keine Stopp Losses mehr noch weiter weg. Er zieht den Trailing Stopp nicht mehr zu schnell nach. Er führt sein Tradingtagebuch und wertet die Trades aus. Er erkennt Seitwärtsphasen und passt seine Strategie an. Er sucht und liest Literatur zur Psychologie an den Börsen. Und er erkennt, dass er an sich selbst arbeiten muss. 30 % ist das System, 70 % der Trader, sagt eine Faustformel.

Zum Ende dieser Phase hin beginnt er seinem System zu vertrauen. Er wird "gleichgültig" gegenüber den Trades. Es stört ihn nicht, dass ein Trade gerade im Minus ist, er hat nach seinem System gehandelt. Er hält es aus darauf zu warten, dass der Trade ins Take Profit läuft und würgt den Trade nicht vorzeitig ab. Aber er kennt inzwischen auch Umkehrformationen und beendet den Trade, wenn er merkt, dass die Widerstandszone nicht überwunden werden kann.

Das Risikomanagement hat er verinnerlicht. Das Take Profit eines Trades ist immer höher als der Stopp Loss. Jeder Trade hat ein Stopp Loss. Er weiß, von welchen Märkten er besser die Finger lässt. Er ist auch nicht mehr scharf auf die Kursachterbahn bei Nachrichten. Er kennt die besten Handelszeiten und ist ganz entspannt, wenn er mal keine Zeit hat oder wieder eine schöne Bewegung verpasst hat.

Der Bachelor macht immer noch Fehler, aber sie werden weniger und sie sind nicht mehr existenzbedrohend für das Konto.

Jetzt kann er beginnen, mit richtigem Geld richtiges Geld zu verdienen. Klugerweise fängt er klein an, denn richtiges Geld ist eben richtiges Geld. Er muss die Emotionen kennen lernen, die bei richtigem Geld ins Spiel kommen. Aber sein Konto ist nicht mehr permanent im Minus.

Jetzt muss er sich mit einem neuen mentalen Problem auseinander setzen: hat er das überhaupt verdient, so leicht so viel Geld zu verdienen? Er hat, und wie er hat! Er darf die Erfolge sein eigen nennen und den Lohn für seine Mühen ernten. Denn leicht verdient ist es definitiv nicht, auch wenn es so aussieht. Er denkt nicht mehr: „Ich habe heute gewonnen!“, sondern er denkt: „Ich habe es heute verdient!“
Und die Familie gewöhnt sich langsam an die Meldungen: „Heute habe ich wieder 20 Euro Plus gemacht. Mein Konto steht jetzt bei 550 Euro!“

Wenn er so weit ist, dann sind mindestens drei Jahre ins Land gegangen.

Fortsetzung folgt im neuen Jahr.

Links zu den Vorgängern:

Entwicklungsstufen des Traders - Phase 1: Der Start

Entwicklungsstufen des Traders - Phase 2: der Beginner


Gastkommentar zur Phase 1 der Traderentwicklung - die Starterphase

Gastkommentar zur Phase 2 der Traderentwicklung - Im Verlust keimt die Hoffnung

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